Du sollst töten, weil es in Deutschland schon immer so war.

Von unterschiedlichen Menschenrechten diesseits und jenseits der Grenze

In Deutschland stellt die Zwangsbejagung privater Grundstücke keine Menschenrechtsverletzung dar, in Frankreich und Luxemburg dagegen sehr wohl. So widersprüchlich und willkürlich können Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sein.

Zwangsbejagung von privaten Grundstücken in Deutschland

Bis heute MÜSSEN Eigentümer von land- oder fortwirtschaftlichen Grundstücken in Deutschland dulden, dass Jäger ihre Grundstücke betreten, um dort Tiere zu töten und auch zu verletzen (denn sie sind nicht immer die besten Schützen). Sie werden GEZWUNGEN, gegen ihren Willen einer Jagdgenossenschaft anzugehören. Darüber werden sie beim Erwerb eines solchen Grundstücks jedoch nicht einmal informiert!!

Menschenrechtsverletzung in Frankreich und Luxemburg, aber nicht in Deutschland

Bis 1999 war die Situation in Frankreich ähnlich. Ebenso in Luxemburg bis 2007. Grundeigentümer aus diesen beiden Ländern klagten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), weil sie ihre Menschenrechte darin verletzt sahen, dass sie die Jagd auf dem eigenen Grundstück dulden mussten, obwohl das Töten von Tieren mit ihrem Gewissen unvereinbar sei. In beiden Fällen entschied der EGMR, dass ein solcher Zwang tatsächlich gegen die Menschenrechte verstößt. Beide Länder mussten ihre Jagdgesetze ändern.

Im Falle eines Grundstückseigentümers aus Deutschland vollzog der EGMR mit seinem Urteil vom 20. Januar 2011 eine radikale Kehrtwende. Eher gesagt 4 von den 7 damit befassten RichterInnen. Denn 3 von ihnen (Peer Lorenzen, Isabelle Berro-Lefèvre und Zdravka Lalaydjieva) betonten in einer Gegenerklärung, dass sie in Deutschland genauso wie in Frankreich und Luxemburg eine Menschenrechtsverletzung darin sehen, dass deutsche Grundeigentümer das Jagen auf ihrem Besitz gegen ihren Willen dulden müssen. Dagegen sind die 4 anderen RichterInnen Renate Jäger* , Rait Maruste, Mirjana Lazarova Trajkovska und Ganna Yudkivska der Meinung, dass ein deutscher Grundeigentümer dies - im Gegensatz zu einem französischen oder luxemburgischen! - zu dulden hat.

Jagen auf privaten Grundstücken gegen den Willen der Eigentümer: ein öffentliches Interesse?

Nach dem Prinzip, wonach das öffentliche Interesse vor die Rechte eines Einzelnen gestellt werden darf, musste der EGMR prüfen, ob das öffentliche Interesse es verlangt, dass jedes noch so kleine Grundstück bejagt wird bzw. ob das Jagen auf der gesamten verfügbaren Fläche der Bundesrepublik im öffentlichen Interesse liegt.

Ohne flächendeckende Bejagung kein Naturschutz!

Die Bundesregierung und der Jagdverband werden nicht müde zu behaupten, dass die flächendeckende Bejagung dem Erhalt gesunder Wildbestände sowie der Artenvielfalt und dem Naturschutz diene. Aufgabe eines Gerichts sei, die von den Parteien vorgebrachten Argumente kritisch zu prüfen, so der allgemeine Verständnis einer unabhängigen Justiz. Obwohl man in dem 25-seitigen Urteil des EGMR nach einem Beleg für diese haarsträubende Behauptung vergeblich sucht, wurde diese vom EGMR als Tatsache übernommen!! Daraus folgert der Gerichtshof selbstverständlich, dass der Erhalt gesunder Wildbestände - und somit das Jagen auf privaten Grundstücken - im öffentlichen Interesse liegt und deshalb höher zu bewerten ist als das Recht eines Einzelnen auf Schutz seines Eigentums, Gewissensfreiheit, Diskriminierungsverbot usw. Im Namen des öffentlichen Interesses soll jeder deutsche Grundeigentümer also dulden, dass auf seinem Grundstück Tiere getötet und verletzt werden.

Du sollst töten, weil es in Deutschland schon immer so war

Andererseits argumentierten die 4 RicherInnen, dass es in Frankreich und in Luxemburg schon immer Grundstücke gegeben hat, die von der Jagd ausgenommen waren. Dies beweise, dass in Frankreich und in Luxemburg ein Jagen auf dem ganzen Territorium nicht notwendig sei, weshalb es dort eine Menschenrechtsverletzung ist, wenn ein Grundeigentümer dazu gezwungen wird, das Jagen auf seinem Grund zu dulden (siehe Entscheidungen des EGMR Chassagnou 1999 und Schneider 2007). Aber - so der EGMR - ist die Situation in Deutschland nicht mit der in Frankreich und Luxemburg vergleichbar, denn in Deutschland gäbe es kaum solche Ausnahmen; es war schon immer so, dass auf jedem Fleckchen Land gejagt wurde. Nach der erstaunlichen Logik des EGMR ist es also in Deutschland notwendig, dass auf jedem noch so kleinen Grundstück Tiere niedergemetzelt werden, weil es schon immer so war. Auch der Präsident des Bayerischen Landesjagdverbandes, Prof. Jürgen Vocke, verweist im Landwirtschaftlichen Wochenblatt vom 28.01.2011 auf die „rund 160 Jahre andauernde Erfolgsgeschichte des bayerischen Reviersystems“. Erstaunliche Argumente, denn manche Menschenrechtsverletzungen haben eine noch längere „Erfolgsgeschichte“ hinter sich, z. B. die Todesstrafe: sie war 500 Jahre lang in Gesetzen und sonstigen Rechtsbestimmungen auf deutschem Territorium verankert. Trotzdem wurde sie abgeschafft. So wird es auch eines Tages mit dem ach so erfolgreichen, deutschen Jagdsystem geschehen.

Mit dem Verweis auf die Situation in den Nachbarländern Frankreich und Luxemburg erbringt der EGMR nämlich selbst den Beweis für die Willkürlichkeit seiner Entscheidung. Denn, wenn in Frankreich und Luxemburg eine flächendeckende Bejagung nicht notwendig sei, warum soll dies in Deutschland zwingend sein, um „den Erhalt gesunder Wildbestände und die Artenvielfalt“ zu sichern? Der Vergleich mit Frankreich und Luxemburg lässt die Behauptung von Bundesregierung und Jagdverband bzw. EGMR wie ein Kartenhaus zusammen fallen.

Und wo bleibt dann das vom EGMR daraus abgeleitete öffentliche Interesse, das begründen soll, dass keine Menschenrechtsverletzung vorliegt?

Nach dem EGMR ist die Gewissensfreiheit gerade ein paar Euro wert

Außerdem wagt es der EGMR in seinem Urteil zu erwähnen, dass der Grundeigentümer als Gegenleistung zur Zwangsbejagung schließlich ein Anrecht auf einen Geldbetrag hat! Erstens beträgt diese Entschädigung nur ein paar Euro, und die wird auch nicht automatisch bezahlt, sondern der Grundeigentümer muss ihr hinterher rennen, zweitens seit wann ist das Gewissen mit Geld auszugleichen?

Der EGMR geht sogar so weit, zu behaupten, der Grundeigentümer hätte zudem ein Anrecht auf eine Entschädigung für „alle Schäden, die auf seinem Grund durch die Jagdausübung verursacht würden“. Von wegen! Die seelischen Qualen, die ein Tierfreund bei dem Gedanken erleidet, dass Tiere auf seinem eigenen Grund gequält und getötet werden, werden nicht entschädigt und können auch nicht entschädigt werden.

Beschäftigung in der Freizeit ist keine Freizeitbeschäftigung

In seinem Urteil räumt der EGMR zwar ein, dass die Jagd primär von einzelnen Menschen während derer Freizeit ausgeübt wird, dennoch kann er darin keine Freizeitbeschäftigung erkennen. Ja, Sie haben richtig gelesen, das sagt der EGMR, nicht etwa der Jagdverband.

Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen

Einerseits wird der Kläger die Große Kammer beim EGMR anrufen und auf die diskriminierende Entscheidung gegenüber Bürgern aus Frankreich und Luxemburg verweisen.

Andererseits sind noch andere Klagen anhängig. Der fromme Wunsch des Präsidenten des Bayerischen Landesjagdverbandes, Prof. Jürgen Vocke, wonach „die ebenfalls anhängigen bayerischen Klagen entsprechend zügig abgewehrt werden“ sollten, wird kaum in Erfüllung gehen.

Mit dem Urteil vom 20.01.2011 (Gesuch 9300/07) stellt sich der EGMR nämlich voll hinter das aus der Nazi-Zeit stammende, deutsche Jagdgesetz, das auch das Töten von Haustieren legalisiert. Ob die RichterInnen Renate Jäger* , Rait Maruste, Mirjana Lazarova Trajkovska und Ganna Yudkivska auch keine Menschenrechtsverletzung darin sehen, dass Jäger die Haustiere eines Grundeigentümers auf dessen eigenem Grund willkürlich töten dürfen? Ob das Töten von Haustieren auf dem eigenen Grundstück durch Dritte auch „dem Erhalt gesunder Wildbestände und der Artenvielfalt“ dienen soll und somit ein „öffentliches Interesse“ darstellt?

Diese Frage wird der EGMR beantworten müssen, denn Tierfreundin Marie-Antoinette de Contes wird gegen die Bundesrepublik beim EGMR klagen. Sie geht davon aus, dass sie wie üblich vor allen deutschen Gerichten unterliegen und deshalb in ein paar Jahren damit in Straßburg landen wird.

Deutsche Menschenrechte weniger Wert oder Straßburger Richter lobbyanfällig?

Unabhängig davon, wie die große Kammer des EGMR schließlich entscheidet, haben die 4 o.g. RicherInnnen, allen voran Frau Renate Jäger* aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, den Ruf des EGMR auf jeden Fall stark beschädigt. Der Europäische Gerichtshof wurde gegründet, um für eine Harmonisierung der Rechtsprechung innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention zu sorgen. Genau das Gegenteil haben diese RichterInnen bewerkstelligt, denn dieses Urteil bedeutet, dass Menschenrechte in Deutschland weniger Wert sind als in Frankreich oder Luxemburg... Somit haben die RichterInnen Renate Jäger*, Rait Maruste, Mirjana Lazarova Trajkovska und Ganna Yudkivska den EGMR in den (Ver)Ruf gebracht, genau so lobbyanfällig zu sein wie manch nationales Gericht.

* Es handelt sich nicht um einen angesichts der Situation vergebenen Spitznamen; die deutsche Richterin heißt tatsächlich so. Einen solchen Namen tragen zu müssen, dürfte allerdings nicht so belastend sein wie die maßgebliche Beteiligung an einer Entscheidung, die das willkürliche Töten von Wild- und Haustieren befürwortet.

Bürgerinitiative Haarbacher Trommel*, Oberthambach 13, 94542 Haarbach, Tel. 08543/91 99 00

Webseite: www.haarbacher-trommel.de

E-Mail: kontakt@haarbacher-trommel.de

V.i.S.P: Werner Ernst, Oberthambach 13, 94542 Haarbach

* Die Bürgerinitiative Haarbacher Trommel macht Missstände vor allem aus der Haarbacher Region bekannt und veröffentlicht Infos, die weder im Haarbacher Gemeindeblatt noch in der Passauer Neuen Presse zu finden sind. Jeder, der mitmachen will, ist willkommen.

Vervielfältigung, Veröffentlichung und Weitergabe erwünscht!

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